college 18 maart 2004 - Rechten van dieren en rechten van de natuur

Immanuel Kant: 'Indirekte Pflichten in bezug auf Tiere', passage uit Ethik-Vorlesung. Geciteerd in: Dieter Birnbacher & Jean-Claude Wolff (red.): Verantwortung für die Natur. Hannover: Schroedel 1988, p. 49-51

Der Autor [Baumgarten] redet hier von Pflichten gegen Wesen, die unter uns und die über uns sind. Allein weil Tiere nur als Mittel da sind, indem sie sich ihrer selbst nicht bewußt sind, der Mensch aber der Zweck ist, wo ich nicht mehr fragen kann; „Warum ist der Mensch da?", welches bei den Tieren geschehen kann, so haben wir gegen die Tiere unmittelbar keine Pflichten, sondern die Pflichten gegen die Tiere sind indirekte Pflichten gegen die Menschheit. Weil die Tiere ein Analogon der Menschheit sind, so beobachten wir Pflichten gegen die Menschheit, wenn wir sie gegen Analoga derselben beobachten und dadurch befördern wir unsere Pflichten gegen die Menschheit. Wenn z. E. ein Hund seinem Herrn sehr lange treu gedient hat, so ist das ein Analogon des Verdienstes, deswegen muß ich es belohnen und den Hund, wenn er nicht mehr dienen kann, bis an sein Ende erhalten. Denn dadurch befördere ich meine Pflicht gegen die Menschheit, wo ich solches zu tun schuldig bin. Wenn also die Handlungen der Tiere aus demselben Principio entspringen, aus dem die Handlungen der Menschen entspringen, und die tierischen davon Analoga sind, so haben wir Pflichten gegen die Tiere, indem wir dadurch die gegen die Menschheit befördern. Wenn also jemand seinen Hund totschießen läßt, weil er ihm nicht mehr das Brot verdienen kann, so handelt er gar nicht wider die Pflicht gegen den Hund, weil der nicht urteilen kann, allein er verletzt dadurch die Leutseligkeit und Menschlichkeit in sich, die er in Ansehung der Pflichten der Menschheit ausüben soll. Damit der Mensch solche nicht ausrotte, so muß er schon an den Tieren solche Gutherzigkeit üben, denn der Mensch, der schon gegen Tiere solche Grausamkeiten ausübt, ist auch gegen Menschen ebenso abgehärtet. Man kann das menschliche Herz schon kennen auch in Ansehung der Tiere. So zeigt Hogarth in seinen Kupferstücken auf einen Anfang der Grausamkeit, wo schon die Kinder gegen die Tiere solche ausüben, z. E. wenn sie dem Hund oder der Katze den Schwanz klemmen, auf einem anderen Stücke den Fortgang der Grausamkeit, wo er ein Kind überfährt und denn das Ende der Grausamkeit durch einen Mord, worauf dann der Lohn der Grausamkeit schrecklich erscheint. Dieses gibt gute Lehren für Kinder. Je mehr man sich mit der Beobachtung der Tiere und ihrem Betragen abgibt, desto mehr liebt man die Tiere, wenn man sieht, wie sehr sie für ihre Jungen Sorge tragen. Als dann kann man auch nicht gegen den Wolf grausam denken. Leibniz setzte das Würmchen, welches er beobachtet hatte, wieder mit dem Blatt auf den Baum, damit es nicht durch seine Schuld zu Schaden käme. Es tut dem Menschen leid, ein solches Geschöpf ohne Raison zu zerstören. Diese Sanftmut geht hernach zum Menschen über. In England kommt in das Gericht der 12 Geschworene» kein Fleischer, noch Wundarzt und Medicus, weil die gegen den Tod schon abgehärtet sind. Wenn also Anatomici lebendige Tiere zu den Experimenten nehmen, so ist es zwar grausam, ob es gleich zu was Gutem angewandt wird. Weil nun die Tiere als Instrumente des Menschen betrachtet werden, so gehts an, aber auf keine Weise als ein Spiel. Wenn ein Herr seinen Esel oder Hund verstößt, weil er nicht mehr das Brot verdienen kann, so zeigt dies immer eine sehr kleine Seele vom Herrn an. Die Griechen dachten darin edel, welches das Beispiel vom Esel beweist, der an die Glocke der Undankbarkeit von ungefähr gezogen hatte. Also sind unsere Pflichten gegen die Tiere indirekt Pflichten gegen die Menschheit.

Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten , Zweiter Theil: 'Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre', § 16 und 17
"Von der Amphibolie der moralischen Reflexionsbegriffe" (Kant-Werke Band 8, p. 577-579)

§ 16

Nach der bloßen Vernunft zu urteilen hat der Mensch sonst keine Pflicht, als bloß gegen den Menschen (sich selbst oder einen anderen); denn seine Pflicht gegen irgend ein Subjekt ist die moralische Nötigung durch dieses seinen Willen. Das nötigende (verpflichtende) Subjekt muß also erstlich eine Person sein, zweitens muß diese Person als Gegenstand der Erfahrung gegeben sein; weil der Mensch auf den Zweck ihres Willens hinwirken soll, welches nur in dem Verhältnisse zweier existierender Wesen zu einander geschehen kann (denn ein bloßes Gedankendingkann nicht Ursache von irgend einem Erfolg nach Zwecken werden). Nun kennen wir aber, mit aller unserer Erfahrung, kein anderes Wesen, was der Verpflichtung (der aktiven oder passiven) fähig wäre, als bloß den Menschen. Also kann der Mensch sonst keine Pflicht gegen irgend ein Wesen haben, als bloß gegen den Menschen, und, stellt er sich gleichwohl eine solche zu haben vor, so geschieht dieses durch eine Amphibolie der Reflexionsbegriffe und seine vermeinte Pflicht gegen andere Wesen ist bloß Pflicht gegen sich selbst; zu welchem Mißverstande er dadurch verleitet wird, daß er seine Pflicht in Ansehung anderer Wesen für Pflicht gegen diese Wesen verwechselt.
Diese vermeinte Pflicht kann nun auf unpersönliche, oder zwar persönliche aber schlechterdings unsichtbare (den äußeren Sinnen nicht darzustellende) Gegenstände bezogen werden. - Die erstere (außermenschliche) können der bloße Naturstoff, oder der zur Fortpflanzung organisierte, aber empfindungslose, oder der mit Empfindung und Willkür begabte Teil der Natur (Mineralien, Pflanzen, Tiere) sein; die zweite (übermenschliche) können als geistige Wesen (Engel, Gott) gedacht werden. - Ob zwischen Wesen beider Art und den Menschen ein Pflichtverhältnis, und welches dazwischen statt finde, wird nun gefragt.


§ 17

In Ansehung des Schönen obgleich Leblosen in der Natur ist ein Hang zum bloßen Zerstören (spiritus destructionis) der Pflicht des Menschen gegen sich selbst zuwider; weil es dasjenige Gefühl im Menschen schwächt oder vertilgt, was zwar nicht für sich allein schon moralisch ist, aber doch diejenige Stimmung der Sinnlichkeit, welche die Moralität sehr befördert, wenigstens dazu vorbereitet, nämlich etwas auch ohne Absicht auf Nutzen zu lieben (z.B. die schöne Kristallisationen, das unbeschreiblich Schöne des Gewächsreichs).
In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Enthaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität, im Verhältnisse zu anderen Menschen, sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird; obgleich ihre behende (ohne Qual verrichtete) Tötung, oder auch ihre, nur nicht bis über Vermögen angestrengte, Arbeit (dergleichen auch wohl Menschen sich gefallen lassen müssen) unter die Befugnisse des Menschen gehören; da hingegen die martervolle physische Versuche, zum bloßen Behuf der Spekulation, wenn auch ohne sie der Zweck erreicht werden könnte, zu verabscheuen sind. - Selbst Dankbarkeit für lang geleistete Dienste eines alten Pferdes oder Hundes (gleich als ob sie Hausgenossen wären) gehört indirekt zur Pflicht des Menschen, nämlich in Ansehung dieser Tiere, direkt aber betrachtet ist sie immer nur Pflicht des Menschen gegen sich selbst.


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